Etymologie

Glotzer

Das Subst.Glotzer wird erst seit nhd. Zeit als Synonym für "Auge" verwendet. Bis dahin bezeichnete es ausschließlich eine "Person, die glotzt", wie auch engl. gloater nur "Person, die glotzt" (OED s.v. to gloat) bedeutet. Das zugrundeliegende Verb glotzen ist in der Bedeutung "mit den Augen starren" schon ab dem Mhd. bezeugt: daz in (den Spielern) die ougen glotzen dicke als einem kater in einem stricke (Hugo v. Trimberg Renner 6585, 13. Jh.; Lexer s.v.); besorgt denselben Dienst seit dreißig Jahren und gafft und glotzt, als wärs zum erstenmal (Grillparzer s. w. 9, 62, nach DWb). Engl. to gloat "intensiv blicken, starren, glotzen" z.B. in some praise his sleeve and others glote upon his rich embroider'd coat (18. Jhd., OED s.v.), Mr. Spurrel perfectly gloted, with eyes that seemed to devour everything that passed (18. Jh., OED s.v.). Die vermutlich ursprüngliche Bedeutung "leuchten, schimmern" ist noch in einigen Belegen zu sehen: dar ynnen brent fur von agrimantin und von glotzendem rubin (die Minneburg, 14. Jhd.), darzu ein trüncklein weins sie thet, ... darvon wurd sie glotzent und rot "leuchtend und rot" (Hans Sachs 9, 463, nach DWb); die Wendung das Holz glotzt "leuchtet, schimmert" (von faulendem Holz) hält sich bis ins 19. Jhd: Faules Holz glotzet im Finstern (Adelung s.v. glotzen).Glotzer ist ein Nomen agentis, das mit dem Suffix -er von dem schw. Verb glotzen abgeleitet ist. Dem nhd. glotzen entspricht engl. to gloat und anord. glotta "höhnisch lachen, so dass man die Zähne zeigt", die ein german. *gluttēn fortsetzen, das Intensivgemination (Lühr 1980: 114) aufweist. Neben dt. glotzen sind anord. glotta "höhnisch lachen, so dass die Zähne schimmern", norw. und schwed. glutta, norw. und schwed. dial. glotta, norw. glytta "lachen", jüt. gløtte "die Ohren nach etwas spitzen", "schauen, starren" bezeugt, die auf ein german. *gluttēn mit Intensivgemination und Vokalkürzung weisen, dessen Wurzel *glū/ut- in engl. to gloat (aus ags. *glotian) "hämisch blicken, anstarren, anglotzen" vorliegt sowie ferner engl. to glout "starren, betrübt oder mürrisch aussehen" (aus *glūtian). Diese german. Wurzel *ǥlū/ut- ist aus vorgerman. *ghlūd- als d-Erweiterung des uridg. Verbs *ghleh3u-/*ghluh3- "leuchten, schimmern" entstanden, das seinerseits eine alte u-Erweiterung von *gleh3- "leuchten" ist (siehe Glupscher).

Literatur:
DWb = Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1854–1954. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de. 
LIV² = Rix, Helmut/Kümmel, Martin: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert 2001.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988–.
Lühr, Rosemarie: Expressivität und Lautgesetz im Germanischen. Monographien zur Sprachwissenschaft 15. Heidelberg: Winter 1988.
OED = Oxford English Dictionary. www.oed.com. 

Autorin: Sabine Ziegler