Etymologie

Glupscher

Neben dem nhd. Subst. Glupscher (Var. Glubscher), z.B: in sperr deine Glupscher auf! (DWDS) ist ein älteres, ursprünglich nddt. Subst. Gluper "hervortretendes, glotzendes Auge; Person mit solchen Augen", z.B. in gluper "qui neminem erecto vultu adspicere audet" oder gluuper "einer, der niemand gerade ins gesicht siehet, der heimtückisch aussiehet" (Brem.-Niedersächs. Wb. 2, 520), bezeugt (ab 16. Jh., DWb), des weiteren gibt es ein Komp. Glupschauge, Glupauge, z.B. in gluupoge einer der von unten auf oder nicht frei aus den augen siehet (Brem.-Niedersächs. Wb. 2, 521). Dazu gehört ein nddt. Verb glupen, fndl. gloepen, nndl. gluipen "mit großen Augen, schräg, finster, böse ansehen", z.B. in glupen oculos vultumque demittere (Wachter nach DWb), und ein Adj. glupisch, glüpisch "schräg, tückisch, falsch, finster", auch "albern". Von dem Verb glupen ist ein Nomen agentis Gluper, Glüper "Person, die schräg, böse schaut; schräg, böse blickendes Auge" abgeleitet: öwer den rüker keken twee glüper "über die Nase schauen zwei schräge/böse Augen" (Schlesw.-Holst. Wb. 2, 405). Die Grundbedeutung des Verbs glupen dürfte etwa "auf besondere, eher böse, finstere Weise schauen" sein. Das von dem Verb glupen abgeleitete Adj. glupisch hat mit dialektaler Synkope zu der Form glupsch geführt. Die Varianten glupschen und glubschen beruhen auf dialektalen Varianten. Glupscher und Gluper sind Nomina agentis von dem Verb glupschen bzw. glupen. Glupschen liegt eine adj. Basis glupisch, mit Synkope glupsch, zu Grunde, die ihrerseits von dem Verb glupen abgeleitet ist. Wenn die german. Wurzel *ǥlūp- ursprünglich "leuchten, glänzen" bedeutet haben sollte (s. E), dann ist die semantische Entwicklung der dt. Belege in einschränkend-pejorativer Richtung verlaufen: "leuchten , glänzen" wurde auf das Glänzen der Augen in negativer Weise, etwa "böse funkeln", eingegrenzt, und hat im Dt. das gesamte Wortfeld ergriffen. Da es sich bei glupen und seinen Ableitungen um ein nddt. Wort handelt, muss das -p- auf ein westgerman. -p- und somit auf ein vorgerman. -b- zurückgehen. Weitere Belege aus anderen Sprachen sind etwa schwed. glupa, dän. glubbe "schnappen, verschlingen", anord. inchoativ glúpna "von etw. Schrecklichem überrascht werden" (zur semantischen Entwicklung vgl. Seeb 1970: 232). Die Wurzel muss als german. *ǥleup-/*ǥlūp- und vorgerman. *ghleuHb-/ghluHb- "leuchten; leuchtend schauen" → "böse funkelnd, heimtückisch schauen" rekonstruiert werden. Daneben gibt es eine german. Wurzel *ǥleum-/ǥlūm-, die in dt. dial. glūmen "einen düsteren vorsichtigen Blick werfen" weiterlebt. Diese beiden sind wohl Erweiterungen einer Wurzel *ǥlū- < vorgerman. Wurzel *ghleuH-, ghlouH-, ghluH-, die eine neue Vollstufe einer uridg. mit u erweiterten Wurzel *ghleh3u- von uridg. *ghleh3- "leuchten" darstellt. Eine uridg. Bildung *ghe-ghloh3- lebt fort in urgerman. ǥlō-e/a- (EWA IV s.v. gluoen), die in glühen, ahd. gluoan, anord. glóa, aengl. ʒlōwan, asächs. glōian "leuchten, glühen" bezeugt ist. Die uridg. u-Abl. *ghleh3u-/ghluh3- wurde nicht nur im German. (z.B. dt. glau "leuchtend"), sondern auch im Lat. umgedeutet zu *ghleuh3-/ghluh3- und ergab dort lat. glōria (Lühr 2000: 244f.; Schaffner 2001: 200 Anm.146). Anders Seeb. 1970: 232, der german. *glūp-a- mit der Bedeutung "schleichen" ansetzt aufgrund der Belege in nwfr. glūpe "schleichen", afr. inglūpth "schleicht sich ein"; doch mnl. glūpen, nnl. gluipen bedeuten "lauernd anschleichen; lauernd beobachten" und zeigen, dass das lauernde, vorsichtige Sehen das Benennungsmotiv ist.

Literatur:
DWDS = Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20.Jahrhunderts. www.dwds.de.
DWb = Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1854–1954. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
EWD = Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter 2011.
LIV² = Rix, Helmut/Kümmel, Martin: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert 2001.
Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988–.
Lühr, Rosemarie: Expressivität und Lautgesetz im Germanischen. Monographien zur Sprachwissenschaft 15. Heidelberg: Winter 1988.
Lühr, Rosemarie: Die Gedichte des Skalden Egill. Dettelbach: Röll 2000. (Jenaer indogermanistische Textbearbeitungen 1). 
OED = Oxford English Dictionary. www.oed.com.
Schaffner, Stefan 2001: Das Vernersche Gesetz und der innerparadigmatische grammatische Wechsel des Urgermanischen im Nominalbereich. Innsbruck: Inst. für Sprachen und Literaturen. (Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft 103). 
Seebold, Elmar: Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch der germanischen starken Verben. The Hague: Mouton 1970.

Autorin: Sabine Ziegler