Etymologie

Knolle

Knolle ist bereits in ahd. knollo schw. m., mhd. knoll(e) m., dial. Knollen m., nhd. Knolle f. ‚Verdickung, Beule; Kopf, Scheitel‘; ags. cnoll st.m. ‚Klumpen, Beule; Gipfel, Hügel‘, engl. dial. knoll ‚Hügel‘, norw. knoll, schw. dän. knöl ‚Beule; Hügel‘ belegt. Ahd. knollo m., mhd. knolle m., nhd. Knollen sind schw. mask. a(n)-St. Die nhd. Form Knolle f. ist dazu eine sekundäre Femininbildung wie z.B. nhd. Lohe f. zu mhd. lohe swm. ‚Flamme‘. Die schw. Bildungen des Dt. sind gegenüber den st. des Engl. sekundär (EWA s.v.). Das o in der Wurzelsilbe ist durch a-Umlaut (Brechung) entstanden aus u, daher ist also eine german. Form *knulla- anzusetzen. Die Lautgruppen -dl-, -ðl- und -tl- wurden schon früh zu -ll- (Kr/M I 112f.) assimiliert, vgl. z.B. ahd. snell ‚schnell‘ < german. *snið-la‑. Der semantische Übergang von ‚Knetmasse‘ zu ‚Knoten, Beule, Knolle‘ findet sich z.B. auch in Knoten, ahd. knodo, knoto ‚Knöchel, Knoten, Verklumpung, Beule‘ < german. *knuðþan)- oder Knödel (< german. *knuþila- m.) „Zusammengedrücktes“ oder Knauf zu kneifen.
Das Wort Knolle, ahd. knollo, mhd. knolle, dürfte samt ags. cnoll, engl. dial. knoll sowie der ngerm. Wörter zu dem nhd. Verb kneten, ahd. knetan, knat, giknetan; aengl. cnedan, aschw. knodha (< *knuda- < kunda- mit Angleichung an die Vollstufe *kneda-, LIV² 191; Seebold 1970: 303f.) gehören. Dazu wird die balto-slaw. Sippe von aksl. gnetǫ, gnesti ‚kneten, drücken, bedrängen‘ und apreuß. gnode ‚Knetmulde‘ gestellt. Zusammen führen die Belege auf eine uridg. (zumindest balto-slaw.-german.) Wurzel *gnet- „kneten, drücken“. Dazu stellt sich ferner das ahd. Subst. chnet m. a-St. ‚Teig; Masse, Klumpen‘ sowie das awn. schwache Verb knoða ‚kneten‘ <*knud-ō- (Seebold 1970: 304). Von dem schwundst. Stamm *knud- kann nun ags. cnoll mit Hilfe des Suffixes german. *‑la- (Kr/M III 84f.) abgeleitet sein, die dt. schw. Formen sind in die n-Dekl. übergegangen. Daraus lässt sich eine vorgerman. Form *knud-la(n)- m. ‚Zusammengedrücktes, Zusammengeballtes; Knoten, Beule‘ rekonstruieren, die lautgesetzlich zu german. *knolla(n)- wurde (Kr/M I 112f., EWA s.v.).
Anders Pfeifer (681f.): entweder als *kneus-la- zu einer uridg. Wurzel *gneus- (dt. knüllen, Knust) oder als *kneuð-la- zu einer uridg. Wurzel *gneut- (auch in Knoten, Knödel).

Literatur:
EWA = Lloyd, Albert L./Lühr, Rosemarie 1988–: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1–. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar 1986–: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begr. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1–. Berlin u.a.: de Gruyter.
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm 1854–1954: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–16 (und Quellenverzeichnis, 1971). Leipzig: Hirzel. (Nachdruck der Erstausgabe 1999: Bd. 1–33) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Auch als CD-ROM 2004: Der digitale Grimm. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Auch unter: www.woerterbuchnetz.de.
Karg-Gasterstädt, Elisabeth u.a. 1952–: Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftr. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings. Bd. 1–. Berlin: Akad.-Verl.
Kluge, Friedrich 2011: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Begr. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold. 25., durchges. und erw. Auflage. Berlin u.a.: de Gruyter.
Krahe, Hans/Meid, Wolfgang 1967: Germanische Sprachwissenschaft. 3 Bde. Berlin: de Gruyter.
Kroonen, Guus 2013: Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Leiden-Boston: Brill.
LIV² = Rix, Helmut/Kümmel, Martin 2001: Lexikon der indogermanischen Verben: LIV; die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix und der Mitarbeit vieler anderer bearb. von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. 2., erw. und verb. Aufl., bearb. von Martin Kümmel und Helmut Rix. Wiesbaden: Reichert.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1854-1866. Online auch unter http://woerterbuchnetz.de/BMZ/
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
Pfeifer, Wolfgang (Hg.) 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin: Akad. Verl.
Seebold, Elmar 1970: Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch der germanischen starken Verben. The Hague: Mouton. 
 
Autorin: Sabine Ziegler